Stellungnahme zu Jugendarbeit und Schule

Jugendarbeit und Schule

Zwei Institutionen leisten Bildungsarbeit für und mit Kindern und Jugendlichen – doch wie arbeiten sie zusammen?

Die „Zusammenarbeit von Jugendarbeit und Schule“ ist eigentlich ein „alter Hut“. Wurden doch schon früh Kooperationsformate entwickelt, die dem Wohle der Kinder und Jugendlichen dienen sollten. Ende der 1980er Jahre gab es das „GÖS“-Programm zur „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule“ in „Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Es folgten Programme wie „Schule von Acht bis Eins“ und das Programm „Dreizehn Plus“. Politik reagierte damit auf die Forderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die ursprünglich freiwillige kommunale Aufgabe, wie z. B. „Hort“ ist heute weitestgehend durch die OffeneGanztagsSchule (OGS) abgelöst und wurde zur Pflichtaufgabe. Durch die steigende Nachfrage von Ganztagsbetreuung, aufgrund der steigenden Geburtenraten und dem Zuzug von Menschen mit Migrationsgeschichte, ist im Koalitionsvertrag der Landesregierung vereinbart worden, bis 2025 einen flächendeckenden Anspruch auf Plätze in Offenen Ganztagsgrundschulen bereit zu stellen. Im Unterschied zu GÖS sind nun unter dem Dach der Ganztagsschule die Angebotsformate von offener Jugendarbeit, schulbezogener Jugendarbeit, Jugendkulturarbeit und Anderen eher systematisch und dauerhaft angelegt.

Die Konsequenz daraus ist, dass die oben erwähnten Programmbeispiele ausgelaufen sind und die Kommune die Verantwortung für die Ausgestaltung des Ganztags hat. Wünschenswert ist, dass Schule sich der Jugendarbeit in der Zusammenarbeit noch weiter öffnet und u. a. Mittel aus dem Förderprogramm „Geld oder Stelle“ für eine Zusammenarbeit genutzt werden. Derzeit gibt es noch kein gemeinsames Ausführungsgesetz, das die Zusammenarbeit ausführlich beschreibt (vgl. KJB, S. 360). Doch seit der PISA-Debatte und der Einführung der Ganztagsschule in NRW nimmt Schule in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen einen immer größeren Raum ein. Die Einführung des Ganztags in gebundener oder offener Form, erst in der Primarstufe und zunehmend auch in der Sekundarstufe I, das Abitur in 8 Jahren (G8) oder die Reduzierung der Förderschulen und damit die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf in die Regelschulen sowie die Integration von Geflüchteten, stellen nicht immer nur die Lehrer*innen vor neue Aufgaben.

Auch die Kinder und Jugendlichen müssen immer wieder für sich und ihren Alltag sorgen. Der „Arm“ der Schule reicht folglich immer mehr in die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen hinein. In Ansätzen kann man heute schon von einer institutionalisierten Kindheit und Jugend sprechen. Umso wichtiger ist, dass im föderalen Deutschland das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird und die Pluralität verschiedener Träger der Kinder und Jugendarbeit in die Ganztagsbetreuung eingebunden werden. Die evangelische Jugendarbeit ist herausgefordert, um der Kinder und Jugendlichen Willen, die Frage der Zusammenarbeit mit Schule und der Ganztagsschule anders in den Blick zu nehmen.

Die Kooperation mit Schule hat auch Chancen und Risiken für die Jugendarbeit. Der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung widmete sich ausführlich dieser Fragestellung. So weist er u. a. daraufhin, dass durch die zeitliche und thematische Ausweitung der außerunterrichtlichen Nachmittagsangebote in Schule, die Kinder- und Jugendarbeit gefährdet ist, eine gewisse Exklusivität einzubüßen, so dass sie sich hierzu neu positionieren muss (15. KJB, S. 410). Des Weiteren besteht die Gefahr, dass durch die Möglichkeit, selbst als Anbieter von Angeboten des Ganztagsbetriebs aufzutreten, sich die Kinder- und Jugendarbeit in gewisser Weise selbst Konkurrenz macht – zwischen einer ganztagsschulischen und einer davon relativ unberührten, eigenständigen Kinder und Jugendarbeit (15. KJB, S. 410).

Jedoch eröffnen die Formen und Angebote der schulbezogenen Jugendarbeit auch Chancen: die Erreichung neuer Zielgruppen. Angebote der Ev. Jugendarbeit unterstützen insbesondere das soziale Lernen, ermöglichen Orientierung für die persönliche Lebensführung und regen Engagement und Verantwortungsübernahme an bzw. öffnen Räume des Ausprobierens. Alle öffentlichen Gymnasien, die sich nicht bis spätestens zum 31. Januar 2019 mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Mitglieder ihrer Schulkonferenz für einen Verbleib bei G8 entscheiden, werden zum Schuljahr 2019/2020 in den Jahrgängen 5 und 6 auf das neue G9 mit einer sechsjährigen Sekundarstufe I umgestellt (vgl.https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulpolitik/G8-G9/). Wann die hoffentlich positiven Auswirkungen in der Jugendarbeit zu spüren sein werden, ist zu beobachten.

Die Kooperation von Jugendarbeit und Schule gestaltet sich jedoch nicht einfach, begegnen sich in der Zusammenarbeit doch zwei unterschiedliche Akteure! Im vielfältigen Arbeitsfeld der Jugendarbeit, wie er im § 11 des KJHG beschrieben ist, stellt die schulbezogene Jugendarbeit einen Schwerpunkt dar. Um die Mannigfaltigkeit der schulbezogenen Jugendarbeit näher zu bringen, werden im folgenden Abschnitt 4 Kooperationsformate vorgestellt.

Integrative Kooperationen sind sehr eng mit dem Schulalltag verbunden; das heißt, sie finden während der Unterrichtszeit und damit folglich in der Schule statt (z. B. im Religionsunterricht oder im Rahmen der Kontaktstunde). Andere Angebote der Jugendarbeit finden sich u.a. in Projektwochen wieder. Häufig haben die Bedingungen von Schule einen maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung. Etwas offener in Bezug auf die Fachlichkeit und Kompetenz von Jugendarbeit werden Angebote im Rahmen von Projektwochen gesehen. Die sporadische und punktuelle Anfrage an die Jugendarbeitrichtet sich u.a. zu den Themen Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung, Soziales Lernen, Sexualpädagogik oder Suchtprävention – da, wo Lehrer*innen es manchmal als Unterstützung empfinden. Die Schüler*innen sind zur Teilnahme verpflichtet. Kooperationen als Subunternehmen finden eher vereinzelt und im außerschulischen Bereich statt, da diese den Schulalltag länger unterbrechen. Diese Angebote finden in der Regel außerhalb der Schule an einem dritten Lernort statt, wie z. B. einer Jugendbildungsstätte und umfassen häufig 3 und mehr Tage. Orientierungs- und Reflexionstagungen, Fahrten zu Orten des historischen Lernens, Seminare mit Schülervertretungen oder Seminare zu Themen, die die Schüler*innen gewählt haben sind hier beispielhaft aufgeführt. Zur Zeit der Durchführung gelten in der Regel die Prinzipien und das Selbstverständnis der Jugendarbeit (Freiwilligkeit und Partizipation), auch wenn die Schüler*innen meist nur zwischen 2 Varianten wählen können:

KJHG § 11 Jugendarbeit

  1. Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.
  2. Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der
    Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst für Mitglieder bestimmte Angebote, die offene Jugendarbeit und Gemeinwesen orientierte Angebote.
  3. Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören:
    1. außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
    2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
    3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
    4. internationale Jugendarbeit,
    5. Kinder- und Jugenderholung,
    6. Jugendberatung.
  4. Angebote der Jugendarbeit können auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, in angemessenem Umfang einbeziehen.

Teilnahme an der Veranstaltung oder Teilnahme am Unterricht in einer anderen Klasse

Die Lehrer*innen haben je nach Kooperationsvereinbarung eine begleitende und aufsichtführende Rolle, da es sich vertraglich um eine Schulveranstaltung handelt. Bietet sich Ev. Jugendarbeit als Subunternehmen Schulen mit punktuellen Veranstaltungen an, um diese eigenverantwortlich mit einer verlässlichen Gruppe von Kindern und Jugendlichen durchführen, wirbt sie für sich und wird bei den Kindern und Jugendlichen bekannt(er). Additive Kooperationen greifen auf bestimmte Freiräume und -zeiten von Schule zu. Als Beispiele sind hier die Betreuung von Hausaufgaben, die Begleitung von Schülercafés und die Aktionen/AGs in, bei und außerhalb von Schule genannt. Lehrer*innen oder die Schulleitung bzw. der Träger der OffenenGanztagsGrundschule (OGS) koordiniert die Angebote. Die pädagogische Verantwortung bleibt bei der Jugendarbeit. Die Schüler*innen können i.d.R. aus verschiedenen Angeboten wählen und diese ansatzweise partizipativ mitgestalten.

Eine Kooperation als Generalunternehmer führt Jugendarbeit dann aus, wenn sie Träger des Ganztags an einer Grundschule (OGS) ist und damit den kompletten Zeitraum nach Schulschluss verantwortet (Mittagsverpflegung, Lernzeitbetreuung, Betreuung und Organisation von Angeboten der Freizeitgestaltung an mind. 4 Tagen bis 16.30 Uhr). Diese Angebotsform findet man in der rheinischen Landeskirche aber nur vereinzelt vor, wie z. Bsp. das Jugendwerk Leverkusen oder ev-angel-isch in Köln. Im Gepäck der beiden Institutionen befinden sich verschiedene Traditionen und prägende Strukturen. Für ein kollegiales Miteinander bedarf es daher verschiedener Klärungen, die u. a. gemeinsame oder sich ergänzende Zielstellungen, Fragen der freiwilligen und verpflichtenden Teilnahme der Kinder und Jugendlichen oder auch Präsenzzeiten und Arbeitszeitregelungen für das Personal betreffen. Ebenso treffen unterschiedliche Vorstellungen zur Zeitstruktur und Raumgestaltung, von den Lebenswelten und Sozialräumen der Schüler*innen sowie zu den erwartbaren und erwarteten Ergebnissen aufeinander.

Die oben beschriebenen Kooperationsformen und unterschiedlichen „Gepäckstücke“ der beiden Institutionen machen verschiedene Kooperationsvereinbarungen notwendig, in denen die Aufgaben und Zuständigkeiten festgehalten werden. Und doch stehen Jugendarbeit und Schule gemeinsam vor den gegenwärtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen. Laut des 15. Kinder und Jugendberichts sind die Lebenslagen junger Menschen in der Bundesrepublik Deutschland durch erhebliche soziale Ungleichheiten gekennzeichnet. Diese beziehen sich auf ihre ökonomische, bildungsbezogene und berufliche Situation und Teilhabe (15. KJB, S. 54).

Jugendarbeit ist eine Vernetzungsinstanz im Sozialraum von Kindern und Jugendlichen. Sie bietet sich Ihnen als verlässlicher Gesprächs- und Bildungspartner an bzw. in der Nähe ihres Lernortes. Sie ist parteilich für Kinder und Jugendliche und setzt sich darum für ihre Bedarfe und Belange ein. Bei der Ev. Jugendarbeit geht es im Gegensatz zur Schule nicht um institutionelles Lernen; sondern sie nimmt den ganzen Menschen in den Blick und fördert und fordert ihn sozialpädagogisch. Bleibt man sich dieser Aufgabe treu, muss Jugendarbeit sich mit ihren Stärken und ihrem sozialpädagogischen Profil einbringen.

Als Resümee lässt sich sagen, dass Ev. Jugendarbeit es zulassen kann, neben der außerschulischen offenen Kinder- und Jugendarbeit auch den Schwerpunkt der schulbezogenen Jugendarbeit auszuführen. Das Eine schließt das Andere nicht aus. Schlussendlich bleibt festzustellen, dass eine gelingende Kooperation Zeit, verlässliche Strukturen und Beziehungen mit einem intensiven Austausch braucht. Wohlwissend, dass viele Schulen schon integrativ arbeiten, jedoch aufgrund des gegenwärtigen Lehrer*innenmangels der/die einzelne Schüler*in immer noch zu selten im Blick ist.

Literatur:

  • Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „15. Kinder- und Jugendbericht“, 2017, Berlin
  • Dörthe Heinrich/Janina Stötzel (Hrsg.) „Ganztag im Bildungsnetzwerk“ aus der Reihe „Der GanzTag in NRW – Beiträge zur Qualitätsentwicklung“, Heft 15, 2014, ISA, Münster

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