Potenziale Erkennen und Zukunft gestalten

Amt für Jugendarbeit

Der wissenschaftliche Kontext der pädagogischen Arbeit wird sehr gut im Rahmen des bundesweiten Fachkongresses zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen abgesteckt. Es geht immer wieder um: Potenziale Erkennen und Zukunft gestalten.

Der bundesweite Fachkongress Kinder- und Jugendarbeit „Potenziale Erkennen | Zukunft Gestalten“ fand im September 2016 an der Technischen Universität Dortmund statt und war der zweite Kongress dieser Art. Der große Zuspruch aus Fachpraxis, Wissenschaft, Politik und Verwaltung hat gezeigt, dass die Kinder- und Jugendarbeit einen solchen Ort des Austausches, der Präsentation und der Selbstvergewisserung benötigt. Deutlich wurde aber auch, dass der Zeitabstand zum ersten Kongress, der im Jahre 2002 ebenfalls in Dortmund stattfand, ein viel zu langer war.

Die Kinder- und Jugendarbeit als zentrales Feld der Kinder- und Jugendhilfe war immer schon in besonderer Weise gesellschaftlichen Veränderungen und Ansprüchen ausgesetzt. Sich verändernde Alltags- und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, etwa hinsichtlich Familie, Schule und Ganztagsschule sowie digitaler Medien, wirken sich auch auf die Organisationen und Einrichtungen der Kinderund Jugendarbeit selbst aus. Gleichzeitig wird von ihnen verlangt, zur Lösung von Problemen beizutragen, die solche Veränderungen mit sich bringen.

Ein Dilemma, welches sich am Beispiel des Ausbaus der Ganztagsschule gut beschreiben lässt: Die Veränderungen in der Schule – auch die umstrittenen G8-Gymnasien – haben Auswirkungen auf das Freizeitverhalten und die Zeitressourcen von Kindern und Jugendlichen und damit auch auf die Inanspruchnahme von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit. Diese wiederum tritt mit dem Anspruch auf, ein eigenständiger Bildungsort für Kinder und Jugendliche zu sein, an dem freiwillige und selbstbestimmte Lernformen im Vordergrund stehen. Gleichzeitig sieht sie sich mit Forderungen aus Politik und Gesellschaft konfrontiert, die eine stärkere Kooperation und Vernetzung mit der Schule und entsprechende Veränderungen aufseiten der Kinder- und Jugendarbeit einfordern.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie schwer es den Akteur_innen der Kinder- und Jugendarbeit häufig fällt, eigenen Ansprüchen, gesellschaftlichen Herausforderungen und vor allem den Wünschen und Vorstellungen von Heranwachsenden gerecht zu werden. Ähnliche Probleme ergeben sich aus der zunehmenden Mediatisierung der Lebenswelt, aus Prozessen fortschreitender Diversität oder auch aus Anforderungen der Inklusion und der Integration von Geflüchteten. So wird dann auch im 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung davon gesprochen, „dass der Kinder- und Jugendarbeit die Rolle einer dritten oder vierten Sozialisationsinstanz – neben Familie, Schule und Ausbildung – weniger selbstverständlich zugestanden wird“ (S. 366)1. Hinzu kommen weitere Probleme, wie z. T. unzureichende Finanzmittel und (damit zusammenhängend) ein veränderter Arbeitsmarkt, auf dem in den letzten Jahren ein Stellenabbau im Feld der Kinder- und Jugendarbeit zu beobachten ist.

Angesichts einer solchen Lage erscheint es besonders wichtig, dass sich die Kinder- und Jugendarbeit auf ihre Potenziale besinnt und diese auch selbstbewusst kommuniziert. Vergemeinschaftung, Integration, Verantwortungsübernahme und nicht zuletzt Bildung sind Voraussetzungen für ein gelingendes Aufwachsen. Wenn die Kinder- und Jugendarbeit ein Ort sein soll, um – wie vom 15. Kinder- und Jugendbericht gefordert – Jugend zu ermöglichen, muss sie sich dieser Potenziale immer wieder selbst versichern und mit einer innovativen, an den Ansprüchen und Wünschen der Heranwachsenden orientierten Praxis überzeugen.

Hierzu bedarf es nicht nur des Engagements der hauptberuflich und freiwillig Tätigen in den Verbänden und Jugendzentren, bei Sportvereinen, in der kulturellen Jugendbildung und bei Jugendinitiativen, bei öffentlichen und freien Trägern, sondern auch der ständigen inhaltlich-fachlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen. Zu einem solchen Diskurs sollte der Fachkongress und soll auch dieser Sammelband beitragen. Daher wurden Beiträge zusammengestellt, die auf Vorträgen des Kongresses beruhen, wobei der Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Kontexte der Kinder- und Jugendarbeit gelegt wird, allerdings die Herausforderungen und Kontroversen des Arbeitsfeldes in diesem Band ebenso ihren Platz finden sollen.

Mein Dank gilt allen Autor_innen, die uns beim Kongress unterstützt und uns zusätzlich ihre Texte zur Verfügung gestellt haben. Zu danken ist aber auch dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Jugendministerium des Landes Nordrhein-Westfalen2, ohne deren Förderung weder der Kongress noch der Sammelband möglich gewesen wären. Zu wünschen bleibt eine anregende Lektüre, verbunden mit der Hoffnung, dass der Band dazu beiträgt, den fachlichen Diskurs auch jenseits von großen Tagungen und Kongressen weiterzuführen.

Dortmund, im Dezember 2018
Thomas Rauschenbach