Die Aufgabe der Kirche

Anmerkungen zur evangelischen Jugendarbeit

Schon vor mehr als 10 Jahren schrieb der damalige Landesjugendpfarrer Rüdiger Breer folgende Anmerkungen – sie haben nichts an Aktualität eingebüßt.

  1. Die Lebenswelten haben sich grundlegend verändert. Das bekommen besonders Jugendliche zu spüren. Orientierungsarbeit ist härter geworden. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, die Lebensweltveränderungen zu verstehen und sich für ihre Arbeit auf Ziele zu verständigen.
  2. Religiöse Fragen gehören zum menschlichen Leben. Das Monopol der Kirchen auf solche Fragen und entsprechende Antworten besteht nicht mehr. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, die Peinlichkeiten von Glaubensgesprächen zu überwinden, religiöse Implikationen des Alltagslebens zu verstehen und Wege zur aufeinander bezogenen Lektüre von Bibel und Zeitung zu ebnen.
  3. Selbstbild und Fremdwahrnehmung von Kirche und Jugendarbeit gehen oft weit auseinander, Botschaften können nicht verstanden werden, weil sie undeutlich sind. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, an einem erkennbaren Profil zu arbeiten, Sein und Design einander anzunähern.
  4. Profilierte Jugendarbeit braucht persönlich und fachlich überzeugende Persönlichkeiten, die weitgehend selbständig in ihrem Arbeitsbereich entscheiden können. Besonders in schwierigen Zeiten müssen sie sich der Unterstützung der Gemeinde, in deren Auftrag sie arbeiten, sicher sein. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, das Verhältnis der hauptberuflichen Dienste zueinander so zu regeln, daß konstruktiv und partnerschaftlich interdisziplinär gearbeitet werden kann, und für Bedingungen einer wirklich professionellen (Begleitung der) Arbeit zu sorgen sowie Ehrenamtlichen jede von ihnen benötigte Förderung zukommen zu lassen und die von ihnen gewünschte Beteiligung an Entscheidungen zu gewähren.
  5. Die Ausdifferenzierung der Lebensbereiche und der Erwartungen läßt parochiale Organisation der Arbeit an Grenzen stoßen, wenn Kirche und Jugendarbeit nahe am Menschen sein wollen. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, Spezialisierung zu ermöglichen durch Begrenzungen sowohl im Bereich von Programmvielfalt als auch in den Zielgruppen, durch gemeindeübergreifende Kooperation und Koordination sowie durch Schaffung von Modellprojekten auf kreiskirchlicher und landeskirchlicher Ebene.
  6. Trotz Autoritätsverlust der Institutionen kann Kirche immer noch von einem breiten Sockel engagierter Jugendlicher ausgehen vor allem dort, wo die Bedürfnisse junger Menschen ernstgenommen und ihre Vorstellungen von einer Kirche mit Jugendlichen gehört werden. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Jugendarbeit besteht darin, sich mit dieser jungen Gemeinde der Frage zu stellen, was es heißt, in dieser Zeit als Christ zu leben.
  • Rüdiger Breer (Landesjugendpfarrer der EKiR bis 2008 / 2006)