Wahlrecht für Kinder - ein Fachtag der aej

aej und AfJ

Foto (Quelle: Anja Lukas-Larsen) (v.l.) Stefan Niewöhner, Prof. Dr. Hannelore Lier-Schehl und Prof. Dr. Hermann Heußner sind zufrieden mit dem fachlichen Diskurs zwischen Rechtstheorie, Psychologischen Aspekten & Anliegen des Evangelischen Jugendverbandes

Wahlalter senken? Und wenn ja auf welches Alter? Dies waren zwei der Fragen, die am 18.02. beim Fachtag „Kinderwahlrecht – Stärkung der Demokratie!?“ der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (AEJ) NRW in Düsseldorf erörtert wurden.

Rund 40 Teilnehmende diskutierten im CVJM-Hotel mit Fachreferenten die Frage: „Sollten Kinder wählen dürfen?“. Anstoß zu dieser Auseinandersetzung war der 30. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 2019. Im Rahmen des Projekts „Kinderrechte für alle“, gefördert vom Ministerium für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration NRW, beschäftigt sich die AEJ-NRW mit dem Kinderwahlrecht. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 entschieden, dass alle Erwachsenen wählen dürfen – auch dann, wenn sie wegen einer Behinderung nicht voll geschäftsfähig sind oder unter Betreuung stehen. „Wir halten die Zeit für gekommen, um in die Diskussion eines Wahlrechts auch für Kinder einzusteigen. Kinder und Jugendliche sind unserer Meinung nach in politischen Fragen durchaus einsichts- und urteilsfähig. Warum soll ihnen das Wahlrecht nicht zugestanden werden? Mit diesem Fachtag möchten wir einen fundierten Beratungs- und Diskussionsprozess in unseren Strukturen eröffnen“, kommentiert Stefan Niewöhner, Geschäftsführer AEJ-NRW die Motivation zu diesem Expertenaustausch.

Das Thema ist keinesfalls nur eine fixe Idee eines Jugendverbandes. Im Gegenteil. Aktuell wird auf der Bundesebene über die ausdrückliche Verankerung eines Kindergrundrechts im Grundgesetz diskutiert. Bei der Europawahl waren unter 18-Jährige in Deutschland vom Wahlrecht ausgeschlossen. In Österreich und Malta beispielsweise durften bereits 16-Jährige das Europaparlament wählen. Es liegt darüber hinaus ein Rechtsgutachten vor das zu dem Ergebnis kommt, dass der Ausschluss von 16- und 17-Jährigen vom Wahlrecht bei der Europawahl 2019 in Deutschland verfassungswidrig war. Ganz aktuell hatte der Landtag NRW über einen Antrag der SPD-Fraktion beraten, das Wahlalters für die Landtagswahl auf 16 Jahre abzusenken. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt.

Zu Wort kamen sowohl befürwortende als auch kritische Fachstimmen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen. Profilierte Vertreter für ein Kinderwahlrecht sind Prof. Dr. Heußner, Jurist und Autor eines Rechtsgutachtens, das den Ausschluss von Minderjährigen bei der Europawahl 2019 für verfassungswidrig hält und Prof. Dr. Maywald. Der Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind und Sprecher der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland sprach sich für eine Kombination aus Kinderwahlrecht, Stellvertreterwahlrecht und Senkung des Wahlalters aus. Gleichzeitigt zeigte er die Gefahr auf, dass Kinder unter Druck geraten könnten, um den politischen Zielen beispielsweise der Eltern zu genügen.

Als eindeutiger Gegner eines Kinderwahlrechts beförderte der Politikwissenschaftler Dr. Eisel eine lebhafte und konstruktive Diskussion.

Prof. Dr. Lier-Schehl von der Evangelischen Hochschule in Bochum begegnete der Fragestellung, insbesondere im Hinblick auf eine Wahlausübung, aus Sicht der Entwicklungspsychologie.

Nach jedem Vortrag konnten die Teilnehmenden ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den Thesen der Referierenden über ein visuelles Online-Voting zum Ausdruck bringen.

„Vieles Spricht dafür, aber es gibt auch wirklich einiges kritisch zu bedenken. Die differenzierte Darstellung der diversen Positionen war für mich sehr hilfreich zu beginnen mir eine fundierte Meinung zu bilden.“, fasste ein Teilnehmer des Tages seine Eindrücke zusammen.

„In diesem Jahr finden Kommunalwahlen statt. Durch die Beschäftigung mit dem Thema heute sind wir motiviert bei uns lokal zu den Wahlen aufzuzeigen, dass Kinder sehr wohl in der Lage sind, sich über politische Prozesse und Fragen eine Meinung zu bilden.“, resümierte eine weitere Teilnehmerin.

Dass mit diesem Tag das Thema lediglich eröffnet wurde zeigte die abschließende offene Runde, in der die Fachreferenten Rede und Antwort standen. Allein die Frage „Wie schafft man die Brücke zwischen Partizipation und Schutz?“ wird die Teilnehmende und Jugendverbände nachhaltig in Diskussionen begleiten.  

Die Evangelische Jugend in NRW und auf Bundesebene setzt sich bisher mit dem Landesjungendring NRW und dem Deutschen Bundesjugendring für eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre ein. Die aktuellen Überlegungen könnten noch einen Schritt weiter gehen und auch deutlich jüngeren Kindern das Wahlrecht ermöglichen.

  • 20.2.2020
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